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21.06.2012 - 4. Ulmer Laufnacht – 100km durch die Nacht  

Autor:  KaiSchlachter   E-Mail: murphy§murphyslantech.de
Letzte Änderung: 02.07.2012 01:38:00

Die Strecke kenne ich nach 3 Teilnahmen, nur leichte Änderungen. Mir ging es besser als im Vorjahr. Ich kann jedem die Strecke nur empfehlen!

Alle Jahre wieder … kommt die Ulmer Laufnacht. Ganz so alt wie das christliche Event namens Weihnachten ist sie noch nicht, aber in meinem Laufkalender hat sie einen festen Platz – abgesehen von 2010 – da war ich in den Staaten um meine Diplomarbeit zu schreiben – da wäre die Anreise zu viel gewesen. Auch wenn einige Leute vorgeschlagen haben, dass ich Triathlon in Extrem-Form machen soll: Über den Atlantik schwimmen, von Portugal oder Spanien aus nach Ulm radeln und dort dann als Abschluss eine “Kurzstrecke” zum Auslaufen und lockern.

Die Wochen vor der Laufnacht und nach dem MLP-Marathon (12. Mai) waren leider von viel Arbeit und Stress gezeichnet – das Laufen als Ausgleich musste hinten anstehen – teilweise nur eine Trainingseinheit in der Woche und nur abends auf der Dienstreise vom Arbeitsplatz ans Hotel. Herrlich zum Abschalten und Nachdenken aber mit 12km nicht die Strecke mit der man sich auf einen Ultra vorbereitet. Dann noch Tauchurlaub – auch da keine Chance eine lange Laufeinheit zu machen. Erst am letzten Dienstag gab es was längeres, 24km entlang des Neckars in Mannheim. Natürlich nicht mit Volllast, aber es hat gezeigt: Das mit den 100km müsste machbar sein – letzte Zweifel verflüchtigen sich bekanntlich auf der Strecke.

In Blaustein geht alles seinen eingespielten Gang – noch Kohlenhydrate beim Bäcker kaufen, gesalzene Nüsse aus dem Supermarkt und dann das Warten auf den Start. Diesmal habe ich mein Zelt nicht mitgebracht – ich habe vor mit meinem Begleitradler Torsten am Samstag Abend wieder in Richtung Mannheim aufzubrechen. Die Übernachtung 2011 hat es nicht rausgerissen (ein gutes Bett ist durch nichts zu ersetzen), außerdem habe ich am Sonntag einen Termin.

Mit ausruhen klappt es diesmal nicht gut – auch in der Lix-Halle wird ein Fußball-Public-Viewing improvisiert – immerhin dösen kann man nebenher. Das Briefing findet in der Halbzeitpause statt. Im Wesentlichen hat sich nichts geändert – die Strecke ist mit Pfeilen auf dem Boden markiert, zudem gibt es wieder die reflektierenden Pfeile an allen Abzweigungen. Zur Kontrolle wie üblich Flatterband nach der Abzweigung: rot für rechts und gelb für links – für den Anteil in totaler Dunkelheit zusätzlich mit entsprechenden Beleuchtungen in rot oder gelb. Da kann nichts schiefgehen. Außerdem habe ich ja eine gewisse Streckenkenntnis, auch die ist hilfreich bei der Orientierung und Einteilung der Kräfte.

Torsten macht sich auf die Reise zum Treffpunkt in Eggingen bei Kilometer 11,5 – ich habe noch eine Viertelstunde bis zum Start. Meine Nervosität und die Zweifel steigen weiter und weiter. Ich habe Zweifel an mir, wie gesagt das Training war alles andere als gründlich. Aber egal: Endlich fällt um 23:00h der Startschuss und ich laufe los. 1:0 gegen den inneren Schweinehund. Wie immer gibt es ein herrliches Feuerwerk über dem Stadion – Schade das man dazu immer den Hals verdrehen muss – aber wir sind ja nicht zum Feuerwerk-Schauen sondern zum Laufen da – also Blick auf die Strecke und sehen dass man einen Rhythmus findet. Ich habe wieder ehrgeizig geplant mit 6 min/km – da es noch immer keine GPS oder tracking-fähigen Pulsuhren mit einer ausreichenden Laufzeit für 100km gibt (es sei denn man läuft sie ausreichend schnell) habe ich noch immer meinen Pulsmesser von Polar – Streckenmessung ist alle 5km angeschrieben. Entlang der Straßen feiern noch Leute das Fußballspiel – das Feld sortiert sich langsam. Die Staffelläufer sind schneller unterwegs, klar wenn man nur 30km vor sich hat, dann kann man es ganz anders laufen lassen. Einige Zeit laufe ich mit einem Läufer, wir unterhalten uns nett und mahnen uns auf die Geschwindigkeit zu achten – viel zu schnell passiert es, dass man sich irgendwo ranhängt oder zu schnell wird – Ultramarathons sind sehr viel Kopfsache und das fängt bei der Kräfteeinteilung an.

Es folgt ein ruhiges Stück – parallel zur Staatstraße und dann über den den höchsten Punkt der Strecke – es geht eine Ewigkeit nur bergauf – ich zwinge mich langsam zu machen, denn ich weiß, dass dieser Anstieg ein dickes Ende hat. Entlang der Strecke auf den Berg findet sich zum ersten Mal eine angekündigte Neuerung des Veranstalters – am Rand der Strecke stehen verschiedenfarbige, beleuchtete Kegel. Gefällt mir richtig gut – die blauen und roten gefallen mir mit am Besten. Die Gelben sind eine gute Orientierung, bei den weißen bin ich mir nicht schlüssig – für mich haben sie eher den Charme einer Straßenlaterne, während die anderen für Stimmung sorgen. So zumindest mein Gefühl. Mit dem Ende der Lichterkette liegt endlich der steile Anstieg hinter mir. Es geht zum ersten Mal durch den Wald, richtig angenehm wenn die Steigung nachlässt. Nach einer kurzen Erholungsphase geht das Spiel dann in die Gegenrichtung wieder los – in Richtung Eggingen geht es reichlich bergab und man muss auf dem Schotteruntergrund aufpassen. Dieses Streckenstück gefällt mir jedes Jahr wieder, warum genau weiß ich nicht. Vielleicht liegt es am “Motivationsschild” das kurz vor Eggingen unter der Hochspannungstrasse steht: 10km geschafft.

In Eggingen ist die erste Versorgungsstelle – ich greife zu Bananenstück und Iso, zudem wird die Flasche gefüllt. Auf dem Weg aus dem Ort raus wartet Torsten – ab sofort habe ich einen Begleitradler für alle Fälle. Es geht über einen der holprigsten Streckenabschnitte weiter – teilweise sind nur die Treckerspuren ausgewalzt und die voller Geröll – in der Dunkelheit tückisch – also Augen auf. Als hilfreich erweist sich die Fahrradlampe: Fährt Torsten hinter mir so leuchtet er die Strecke vor mir optimal aus – Gefahrenstellen sind rechtzeitig erkennbar. Das Gefälle macht sich bemerkbar – ich bin dankbar als es wieder flacher wird. Ein wenig später geht es leicht bergauf – aber alles im grünen Bereich. Noch sind erstaunlich viele Läufer zusammen, auch wenn die Anzahl Überholvorgänge deutlich nachgelassen hat. Es geht durch die Felder und ehe ich mich versehe steht wieder ein Schild: 15km. So früh hätte ich mit dem nicht gerechnet – aber meine Uhr gibt mir Recht. Zumindest der Teil der noch funktioniert – nachdem ich im Training schon Aussetzer des Brustgurts hatte, hat er sich nun vollständig verabschiedet. Ärgerlich aber nicht zu ändern – wie schon beim MLP-Marathon – da hatte ich ihn schon abgeschrieben und wunderte mich im Training dann über die tadellose Funktion – muss ich mich beim Puls und der Belastung jetzt auf mein Gefühl verlassen.

Es geht durch die Felder, in der Entfernung ist Erbach zu erahnen. Kurz vor Erbach gibt es eine Abzweigung, die ich aus 2011 kenne. 2 Läufer vor mir biegen links ab – die Strecke geht aber rechts weiter – ein kurzer Ruf und die beiden erkennen ihren Fehler. An dieser Kurve hätte ich die Leuchtkegel praktisch gefunden – so zwei oder drei zum Andeuten der Kurve und schon gibts keine Missverständnisse. In Erbach geht es hoch ans Schloss – ich entsinne mich dunkel, dass im ersten Jahr dort eine Versorgungs- und Wechselstation war – die ist in den Ort hinunter verlegt. Der Anstieg ist richtig knackig – sogar Torsten muss sich auf dem Fahrrad anstrengen. Vor dem Schloss steht die Feuerwehr, macht Licht und sorgt für die richtige Richtung. Das Feuerwehrfahrzeug markiert wirksam das Ziel “da oben musst du hin!”. Danach geht es gemütlich abwärts nach Erbach rein, mit einigen kleinen Schwenkern unter der Bahnlinie durch in Richtung Stadtion. Das umrundet man bis zum Eingang, dann gibts noch ne Stadionrunde obendrauf. Auf selbiger wird man unfreiwillig geduscht – auch ich mache Bekanntschaft mit dem Rasensprenger. In Bamberg oder bei warmen Läufen mag ich so eine Erfrischung, aber in diesem Fall finde ich sie ekelhaft – es ist zwar nicht kalt aber auch nicht so warm, dass ich diese Dusche gebraucht hätte. Immerhin gibts gleich die Entschädigung: Kilometer 20 ist erreicht und es gibt ordentlich Verpflegung – allerdings kann ich mich für den Kuchen nicht begeistern – daher erst mal Banane und Müsli-Riegel und wieder ISO zum Runterspülen. Außerdem entledige ich mich endlich eines Steinchens, das auf der Schotterpiste den Weg in den Schuh gefunden hatte.

Nach der kurzen Pause geht es raus aus Erbach und ran an die Donau. Mehrere Kilometer lang zieht sich der Weg entlang des Damms. Schön zu erkennen die lange Kette aus Kopflampen und Rücklichtern der Radbegleiter. Ich merke, dass ich mehr hätte essen sollen beim letzten Stopp. Daher bekommt mein Marketender-Radler die Ansage: “Bei Kilometer 25″ bitte die Gummibärchen bereit halten. Was mir völlig entfallen war: Bei Kilometer 25 gibt es sogar eine offizielle Versorgungsstation – inklusive Gummibärchen. Das muntert erheblich auf.

Nun auf die berühmte Allgäu-Kehre zu – nach Donaustetten geht es über die Schnellstraße links ab in Richtung Recycling-Hof – ich frage mich jedesmal wie man wohl “gebrauchte Läufer” recycelt? Wahrscheinlich müssten die in die Kategorie “Sondermüll” eingestuft werden. Die Strecke führt gemütlich weiter durch den Wald – mittlerweile sind die Abstände zu den anderen Läufern größer geworden. Es ist nur noch das Knirschen der Fahrradreifen und der Laufschuhe zu vernehmen. Herrlich, diese Ruhe. Das Tempo ist weiterhin ok, wenn ich auch mein Ziel mit 6 min/km abschreiben kann. Nach dem aktuellen Blick auf die Uhr bin ich hintendran – etwas mehr brauche ich bereits jetzt, und man wird ja gegen Ende langsamer. Ist mir egal – ankommen ist bei einem Ultra das wichtigste – die Zeit kommt an zweiter Stelle – immerhin soll es ja auch Freude bereiten.

So geht es raus aus dem Wald gen Unterweiler – dort steht wieder eine Versorgungstation – zugreifen bei den Bananen – ich lasse mir eine Spezial-Mischung auffüllen: ein Drittel ISO, ein Drittel Cola und ein Drittel Wasser. Hört sich schauerlich an, schmeckt halbwegs erträglich, und enthält alles was der Läuferkörper benötigt: Flüssigkeit zum Schmieren, Zucker zum Antreiben und Elektrolyte für den Rest der Stoffwechselkette. Die nächste Wasserstation lässt nicht lange auf sich warten – bereits in Unterkirchberg gibt es wieder Wasser und Iso – und für mich auch wieder Gummibärchen und einen Cracker mit Frischkäse – ganz lecker, wenn er nur nicht so staubtrocken wäre – da hilft nur eines: Kräftig nachspülen.

Vor die nächste Versorgungstation hat man eine hohe Hürde im wahrsten Sinne des Wortes gelegt: Es geht nach Oberkirchberg, dem zweiten Ortsteil von Illerkirchberg bzw. dem Ortsteil Buch – beides liegt oben auf dem Kamm vor der Iller – ich kenne diese Steigung gut – aber das Wissen um das Kilometerschild hinter der Spitzkehre nach dem Ende der Steigung motiviert mich – viele Läufer schalten hier bereits in den Modus “Gehen” zurück – ich kann noch gut hochjoggen, wenn auch in kleinen Schritten. An der Versorgung gibts Schokolade und Nüsse, dazu wieder die Flasche auffüllen – nach der Steigung habe ich die regelrecht leergelutscht. 35km liegen hinter mir – mehr als ein Drittel ist geschafft – nur noch 2 Drittel zu bezwingen.

Jetzt geht es auf dem Bergrücken weiter – ich erinnere mich daran, dass ich 2011 gefroren habe wie ein Schneider – daher befragen wir mal wieder Torstens Fahrradthermometer – diesmal sind es 7°C – also nur unwesentlich wärmer, aber es kommt mir deutlich angenehmer vor. Schon ist der Bergrücken zu Ende und es geht zügig abwärts an die Iller – eigentlich würde ich es gerne laufen lassen aber die Muskeln wollen schon nicht mehr so recht mitmachen bei dem bergab. Ich muss das häufiger trainieren, die Oberschenkel melden sich da deutlich mit Trainingsbedarf.

Die Strecke entlang der Iller ist sehr schön – leicht geschwungen, zwar nur geschottert aber angenehm eben zum Laufen. Auch hier ist ein Stück Teststrecke für die beleuchteteten Kegel – im Abstand von rund 100m stehen diese am Wegesrand und verbreiten eine tolle Stimmung. Neben mir gluckert die Iller und selten ist auf der anderen Uferseite ein Fahrzeug auf der Schnellstraße zu hören. Kurz vor Wiblingen geht es ans Kloster, kurz vorher im Wald steht ein weiteres wichtiges Schild: 40km sind gemeistert.

Das Kloster habe ich in guter Erinnerung von allen Laufnächten um Ulm. Zwar muss man vor dem Klosterhof noch eine Steigung bezwingen, aber die Entlohnung ist der herrliche Blick auf den Innenhof zusammen mit der Versorgungsstelle – wieder Cola, ISO, Banane und Schokolade bevor es weiter geht. Eigentlich wollte ich mir Gummibärchen in die Backen stecken, aber das fällt mir erst ein, als ich wieder an der Iller bin – der Kurs durch den Wald ist dunkel – dank Streckenkenntnis weiß ich wo ich aufpassen muss und wo es hingeht. Ein Wanderer-Paar flucht leidenschaftlich, sie haben sich an einem der Zäune orientiert und sind an der Weggabelung weiter entlang des Zaunes gelaufen – nur ein Umweg von wenigen Metern – aber zusätzlich lauert da die Falle in Form einer richtig großen Pfütze. Die Stelle nimmt man nur einmal mit, ich entsinne mich, dass ich beim ersten Mal auch fast in den Morrast getappt wäre. Gerade auf dieser kurvigen und unübersichtlichen Strecke hätte ich mir die beleuchteten Kegel gut vorstellen können. Diese gibt es aber erst wieder an der Iller auf der Geraden.

Ungefähr auf halber Strecke Richtung Ulm wechseln wir die Illerseite – kurz danach erscheint das Kilometerschild 45 – der erste Marathon für diese Laufnacht ist bezwungen – nur noch 1,5 Marathons – das sollte zu machen sein. Es läuft gut bisher – kurz nach dem Motivationsschild lasse ich mir die Gummibärchenbox reichen – Kalorien für bis Ulm aufnehmen. Es geht immer entlang der Iller, bis sie sich mit der Donau vereinigt. Kurz darauf tauchen die ersten Häuser von Ulm auf – rechts liegt das Freibad und kurz danach geht es über die Donau. Bei der ersten Laufnacht ging es noch über die Straßenbrücke hoch ans Roxi – dort war man dann bei 50km. Seit 2010 ist der 50km-Marker im Donaustadion – das zieht sich noch eine ganze Ecke hin bis man dort ist. Lustig bis nervig sind die angeheiterten Nachtschwärmer am Donauufer – einige haben tief ins Glas geschaut. Mir kommt ein Motto in den Sinn: “Lieber Koma-Laufen denn Koma-Saufen”. Weiter entlang der Donau – wie bematscht man nach 50km Laufen ist, merke ich an den Schriftzügen entlang der Donau – ich kann mich nicht mehr drauf konzentrieren – lesen und kombinieren der mehrere Meter langen Texte: Nicht mehr möglich. Endlich geht es den Damm hoch und weiter in Richtung Donaustadion. Die Uhr an der Mesststelle zeigt 5:13h – es gelingt mir vor dem Umsprung auf 5:14h durch den Torbogen zu laufen. Ich liege passabel in der Zeit.

Da ich aus den Erfahrungen 2011 gelernt habe, mache ich die Pause in Ulm nur kurz – nach 5 Minuten weiter. Bis dahin gibt es Kuchen, Banane, Brühe und wieder die Mischung für die Flasche – diesmal mit 2 Teilen Wasser und je 1 Teil Cola bzw. ISO. Zudem lasse ich mir aus dem Spezial-Beutel von Torsten 2 Eukalyptus-Bonbons reichen – eines rechts, eines links in die Backentasche und schon gehts weiter. Der gefürchtete Krampf und Belastungsschock bleibt diesmal aus – ich werte somit die Methode mit den Bonbons als recht gut tauglich. Einziger Nachteil: Man muss recht viel dazu trinken, um sie zu lutschen. Aber das muss kein Fehler sein, zumindest muss ich nicht gleich in die Büsche, daher ist der Flüssigkeitsbedarf gerechtfertigt.

Nach einer Umrundung des Stadions geht es über die Brücke wieder auf die bayrische Seite der Donau und den Pfad entlang der Donau. Eine monotone Strecke, die schlecht geschottert ist – sehr grob und man muss aufpassen sich nicht den Fuß zu vertreten. Am Stauwehr gibt es ein kleines Gefälle den Damm runter – das geht aber höllisch in die Oberschenkel – gut dass es danach flach an der Donau weiter geht bis Thalfingen. Es wird hell und die Vögel singen in den Bäumen und Büschen rund herum – sehr motivierend. Ich schalte die Kopflampe aus, in Thalfingen wird sie in der Radtasche verstaut. Kurz vor der Brücke nach Thalfingen steht ein weiteres Schild: 55km geschafft – die Halbzeit liegt hinter mir.

Nach der Wasserstelle (es gibt nur die Auswahl Wasser oder Wasser) folgt die Schlachtergerade entlang der Donau – rund 2km geht es schnurgerade entlang der Donau – weit und breit keine Abwechslung in Sicht – nicht mal ein Kilometerschild. Immerhin einige Läufer und Wanderer voraus – da kann man sich langsam “ransaugen” – bis ans Ende der Geraden habe ich einige überholt.

Nach dem Linkschwenk von der Donau weg geht es aus dem Wald – oben auf dem Berg ist das nächste Ziel zu erkennen – Kloster Oberelchingen. Wie üblich schweift mein Blick nach Osten – der Zeitanzeiger Modell Sonne zeigt sich noch nicht auf den ersten Blick – erst kurz vor Unterelchingen bzw. dem Bahnübergang sehe ich den glutroten Ball über dem Horizont. Gleich hinter dem Bahnübergang steht das nächste Motivationsschild – 60km – weniger als ein Marathon noch und ich fühle mich gut.

Nun folgt eine der härstesten Steigungen auf der gesamten Strecke, direkt nach der Wasserstelle in Unterelchingen geht es “elchmäßig” nach oben – die sogenannte Napoleon-Rampe – erst die steile Straße und zum krönenden Abschluss in Serpentinen durch den Spielplatz bis man am Acker entlang in Richtung Kloster läuft. Der östlichste Punkt der Strecke ist durchlaufen, jetzt geht es auf Blaustein zu, von ein paar kleinen Schlenkern abgesehen. 2012 geht es nicht über den Friedhof des Klosters sondern um das Kloster herum durch den Reitplatz. An der Versorgungsstelle mache ich den Versuch Kuchen zu essen und verschlucke mich ordentlich. Ein satter Hustenanfall bei dem alle Muskeln den Aufstand proben ist die Folge. Aber: Immer mit der Ruhe – Magnesium einwerfen und Traubenzucker hinterher, dann Wurst und Gummibärchen.

Infolge dessen laufe ich langsamer – es geht bergan dem Panorama-Weg folgend wieder gen Thalfingen zu (diesmal das Nordende). Im Wald vor Kilometer 65 schlage ich mich in die Büche – das ISO-Getränk hat die ganze Zeit den Magen-Darm-Trakt durchgerüttelt, aber es wirkt auch abführend…. Deutlich erleichtert komme ich aus dem Wald zurück. Die führt zügig abwärts in den Taleinschnitt bei Thalfingen. Die Feuerwehr hat dort eine Wasserstelle aufgebaut. Die Steigung danach ist flach, dennoch gehe ich sie und knabbere Nüsse mit Salz. Richtig fit bin ich nicht mehr aber ich kenne die Strecke auch in schlechterem Zustand. Sie zieht sich durch die Felder, Schatten ist rar, aber noch sind die Temperaturen erträglich – ich laufe immer noch mit Jacke aber schon mit Sonnenbrille.

Nach der Steigung geht es mit einigen Kurven weiter, erst unter der B19 durch, samt Neubaustelle der Autobahnquerung – wieder durch den Wald immer in Hörweite der Autobahn und parallel zu dieser. Auf einer kleinen Anhöhe gibt es bei Kilometer 70 eine kleine inoffizielle Getränkestelle mit Wasser, Cola und alkoholfreiem Weizen. Ich gönne mir den bayrischen Iso-Drink und laufe weiter – Torsten hat einige Meter vor der Getränkestelle schon angekündigt etwas gegen seinen Hunger zu unternehmen. Da die Strecke ja markiert ist laufe ich derweil in meinem Trott weiter – teilweise gehend aber immer wieder joggend – die Energie kommt langsam zurück, aber noch fehlt der rechte Antrieb. Noch dazu überholt mich der Läufer vom Beginn – er hat noch Reserven und zieht locker an mir vorbei. Aber das ist mir egal, auch wenn der Frust tief sitzt.

Nach dem Wald geht es dieses Jahr nicht über die Autobahn sondern wie schon 2009 entlang der Bahntrasse. Vergleichsweise eben – im Gegensatz zu 2009 geht es nicht direkt in Jungingen über die Bahn sondern es folgt ein Rüssel der nochmal 2 Brücken weiter führt. Auf der anderen Seite geht es zurück bis Jungingen - nochmal den Brückenkopf hoch bevor es wieder auf die vertraute Trasse in Richtung Kilometer 75 geht. Dort ist eine der nettesten Verpflegungsstellen – in einer Scheuer bzw. davor wird alles geboten was das Läuferherz begehrt, freundliches Personal, dezente Musik – das motiviert echt. Ich schlage zu bei Kartoffeln mit Salz, Brühe und Cola. Dazu eine Ladung Magnesium und wieder Schokolade.

Das Wiederanlaufen fällt mir schwer – andere Läufer haben das gleiche Problem, auch der Kamerad vom Beginn der Strecke müht sich ab – kommt aber besser in Fahrt und läuft davon. Auf der offenen Strecke kann ich ihn gut verfolgen, zumindest mit den Augen. Einen anderen Läufer motiviere ich: Wir wollen diese Strecke hinter uns bringen und es ist nicht mehr weit – Hand drauf und weiter gehts. Ich kann wieder Fahrt aufnehmen – zumindest so lange es eben ist oder bergab geht. Die Steigungen gehe ich mit strammen Schritt. Es folgt eine bunte Mischung auf und ab durch das Industriegebiet – die Zentrale der Drogeriemarktkette mit ihrem markanten Turm immer im Blick – den Turm umrundet die Strecke in einem weiten Bogen.

Es geht nach Ulm hinein, genauer gesagt an die Wilhelmsburg – erst mal bergab und dann entlang des Burggrabens, bevor man bei Kilometer 80 in ihn abtaucht zur Versorgungsstelle. Nochmal kräftig Cola, Magnesium und Kuchen einschaufeln, bevor es entlang des Burggrabens weiter geht. 2009 hieß es noch den Wehrgang hinunter bis zur Brücke und auf der anderen Seite wieder hoch. Insgesamt ist das Profil ab jetzt sehr wellig – immer wieder Anstiege und Gefälle im Wechsel – gelegentlich mal eben. Ich jogge was möglich ist, die meisten Steigungen ist jedoch Gehen effektiver. Ich merke, dass ich im Vergleich zu den Vorjahren mehr joggen kann – zumindest kommt es mir so vor. Mit der Überquerung der B10 erreichen wir den Ortsteil Lehr – leer fühle ich mich auch. Zum ersten Mal wird mir so warm, dass ich am Ende der Steigung meinem Radbegleiter die Jacke zum Wegpacken in die Hand drücke. Nach einer kurzen Schleife geht es rein in den Ort, vorbei an der Feuerwehr – dort gibt es Wasser und zu essen – ich greife zu, auch wieder beim Magnesium.

Nach Lehr und vor der bekannten “Mördersenke” steht wieder ein Schild: 85km liegen hinter mir – ich fühle mich wieder erstaunlich fit – das müssen wohl die Endorphine im Zusammenhang mit den zugeführten Kalorien sein. Der Truppenübungsplatz zieht sich dafür wie Kaugummi, die unbemannte Wassersation habe ich nicht nötig, es ist genügend Getränk in der Flasche. Vom angekündigten Tag der offenen Tür an den Kasernen und dem Übungsplatz bekomme ich nichts mit – das Gelände wirkt verlassen und hat doch einige Wellen im Profil. Zudem macht mir der grobe Schotter zu schaffen – dass ich mir Blasen gelaufen habe, merke ich seit Kilometer 70 aber jetzt wird es richtig schmerzhaft – beim Gehen mehr als beim Joggen. Aber Aufgeben ist keine Alternative mehr – noch 15km bis ins Ziel, da lasse ich mich nicht mehr lumpen.

Endlich hat der Truppenübungsplatz ein Ende, wenn auch eines mit sehr starkem Gefälle – es geht ins Tal hinab und dann immer dem Tal entlang – endlich wieder Schatten. Die Freude währt nur kurz, denn es geht wieder raus aus dem Tal. Nächster Zwischenstopp: Mähringen – Versorgung inklusive Massage – das lasse ich aus Zeitgründen aber aus – der Blick auf die Uhr sagt mir: Es könnte hinhauen mit dem Einstellen des Rekords von 2009 – also 11:38h – es sieht machbar aus, kurzzeitig überlege ich ob es machbar wäre unter 11:30h zu bleiben. Die nächsten Kilometer durch die Felder gebe ich Gas. Die letzte Versorgungstation liegt bei Kilometer 94 in Bollingen am Sportplatz. Ich kippe reichlich Cola in mich. An der Verpflegungsstation wird nochmal aufgefüllt, aber nicht mehr gestoppt – die Uhr sagt immer noch: Das könnte hinhauen. Die letzten Kilometer sind flach und nur wenige Gehpausen die Steigungen hoch sindnötig.

Nun geht es oberhalb des Kiesentals weiter bis an den Einstieg in selbiges – ein holpriger Graspfad der volle Konzentration fordert. Ebenso der Einstieg ins Tal, durch die Heidelandschaft führt ein stark abschüssiger Schotterweg – ich wünschte ich hätte die Kraft es laufen zu lassen, aber das geht einfach nicht! Also in kleinen Jogging-Schritten auf den Talgrund. Zwischendrin ein weiteres Schild: 95km.

Es folgt eine 180° Kehre und der letzte Anstieg – auch wenn es nur wenige Höhenmeter sind, nach mehr als 95km kommt einem der Anstieg so heftig vor. Danach gehts schön bergab – die Versorgung auf der Kuppe lasse ich zugunsten der Zeit aus. Auf dem harmlosen Gefälle steht ein weiteres Schild: 96km geschafft – noch vier sind zu bewältigen. Ich halte meine Geschwindigkeit, wische Zweifel beiseite, ob ich das noch 4km durchhalte – es muss einfach. Auch die Blasen an den Füßen ignoriere ich. Es gibt nur noch das Ziel, darauf fokusiert sich alles.

Kurz vor dem Parkplatz am Kiesental: 97km geschafft – nur noch drei. Ich projiziere das auf meine Hausstrecke in Mannheim – ungefähr Höhe Fernmeldeturm bin ich nun – nicht mehr weit bis zur Innenstadt und meinen Eltern – die Strecke bin ich so oft gelaufen und die Kilometrierung kenne ich auswendig. Das gibt einen Schub. Da kann der kleine Anstieg oberhalb der Straße nicht mehr schocken – den jogge ich einfach hoch – ob es eine gute Idee ist? Egal es ist nicht mehr weit und die 2,5km gehen immer irgendwie. Rüber über die Straße vorbei an der herrlich duftenden Forellen-Zucht mit ihrem Räucherofen. Der Pfad ist schmal, ein Läufer vor mir macht mir dennoch Platz und ich kann ihn überholen. Torsten reiht sich hinter ihm ein. Kurz bevor man Blaustein erreicht steht am Pfad: noch 2km – aus Erfahrung weiß ich: nur noch wenige Steigungen folgen. Es geht über die Hauptverkehrsader von Blaustein, entlang dem Gehweg und dann runter an die Blau, vorletzte Steigung die Brücke über die Blau.

Die schöne Landschaft und die Gärten nehme ich noch wahr, aber das Augenmerk liegt voll auf der Strecke – ich überhole noch einen Läufer – jetzt nur den Pace halten – noch 1,5km bis ins Ziel. Das Schild “99km” lässt nicht lange auf sich warten. Noch ein Kilometer – der Stallgeruch ist deutlich wahrzunehmen: Die Stadionansage hört man schon den Kilometer vorher. Rechts um, weg von der Blau über den Feldweg in Richtung Parkplatz – ich sehe mein Auto und kurz davor geht es in Richtung Stadion. Der letzte Anstieg rauf auf die Tartanbahn. Auf dem Weg dorthin motiviert mich ein Läufer mit einem Klapps auf den Rücken das gibt richtig Schub. Noch 500m. Nach dem Eintritt auf die Ehrenrunde durchs Statdion noch 300m, ich mobilisiere alles in meinen Beinen. Die Zeitanzeige im Ziel verkündet: 11:32 als ich sie sehen kann – ich will es nicht 11:33 werden lassen, also wie im Winter oft auf der Hallenbahn geübt: Endspurt, wenn auch über 100m anstelle der 50 – aber darauf kommt es jetzt nicht mehr an. Ich scheuche einige Passanten von der Bahn die hinter dem Ziel klassisch die Strecke blockieren – man kann doch nicht einfach so abbremsen wenn man 100km gelaufen ist … da muss man schon noch ein paar Schritte tun bis man wieder steht. Geschafft! Und schneller als 2009 und 2011. Das entschädigt.

Ich gehe ganz langsam in den Versorgungsbereich – Torsten reicht mir Traubenzucker und Magnesium – aus der Erfahrung heraus, dass mir das hilft und mir dann nicht so kalt wird nach dem Lauf. Zudem jede Menge Getränke. Torsten kümmert sich um die weitere Verpflegung, aber feste Nahrung will ich so kurz nach dem Lauf nicht. Ich habe das Gefühl sie nicht runter zu bekommen. Ganz vorsichtig ziehe ich die Schuhe aus und inspiziere die “Schäden am Laufwerk” – zwei Blasen unterhalb des Sprunggelenks, eine große am rechten Zeh und diverse kleinere an der Unterseite rechts. Die Entlastung durch das Entfernen der Schuhe tut sehr gut. Ich höre mir die Siegerehrung an während ich fleißig Getränke ich mich kippe und langsam wieder feste Nahrung zu mir nehme.

Torsten holt die T-Shirts (diesmal einheitliche für Läufer und Begleitradler – was ich schade finde) aus dem Auto um sie bedrucken zu lassen. Wie sich zeigt ist die Bügelpresse defekt – so lassen wir uns nur die Folienbeschriftung geben – zum Aufbügeln habe ich eine Möglichkeit.

Ich stelle fest, dass ich noch keine Medallie erhalten habe. Im Ziel erfahre ich, dass die Medallien es nicht pünktlich ins Ziel geschafft haben – sie werden nachgeschickt. Aber meine Freude kann das nicht trüben. Eigentlich erwarte ich eine Siegerehrung nach Altersklassen, aber diese entfällt dieses Jahr. Zwischenzeitlich helfe ich einem Läufer aus, ihm ist schwindlig – also kurzerhand eine Kiste unter die Beine und in den Schatten. Zudem eine Portion Magnesium und Traubenzucker und schon wird es besser. Ich weiß selbst wie man sich nach 100km fühlen kann. Mir geht es gut und so steige ich wieder in die Schuhe und die Socken und mache mich auf den Weg zum Auto. Dort ziehe ich mich vernünftig an – anstelle einer Unterhose gibt es aber eine Radlerhose, die scheuert nicht so an den wundgeriebenen Oberschenkeln und hat weniger störende Nähte. Die typischen Läufer-Weh-Wehchen zeigen sich – Scheuerstellen an diversen Ecken, aber nichts dramatisches.

Vor der Entspannung im Bad Blau geht es ins Café Blau, das ins Altersheim integriert ist – dort gibt es vernünftiges Mittagessen – Germknödel mit Vanillesauce – viele Kohlenhydrate – genau das Richtige nach dem Lauf. Im Bad Blau lasse ich den Tag ausklingen, bzw. hole den Schlaf der durchlaufenen Nacht nach. Es ist mir diesmal nicht so kalt wie 2011 – ein Zeichen, dass ich die Ernährung besser im Griff hatte. Nach einer Ruhephase muss ich mit Traubenzucker und Magnesium sowie einer heißen Dusche nachhelfen. Zudem nehme ich wieder die warme Steinbank in Beschlag – ich weiß jetzt warum Katzen Kachelöfen mögen. Gegen halb sechs machen wir uns auf den Heimweg – diesmal ohne Stau oder sonstige Probleme.

Am nächsten Morgen ist der Muskelkater erstaunlich gering, auch wenn Treppensteigen schmerzlich ist. Der Blick in die Ergebnisliste freut mich: 11:32 und schneller als 2009. Es hat wieder für den 1. Platz in der AK gereicht (dieses Jahr zum letzten Mal, nächstes Jahr werden die Bedingungen härter: 8:52h für die M30 gab es heute), insgesamt bin ich auf Platz 43 gelandet – gerade noch im vorderen Drittel – insgesamt sind 140 Läufer ins Ziel gekommen über die 100km im Einzel.

Fazit: Anstrengend aber schön! Mal sehen ob ich das 2013 wieder mache. Ich kann es jedem nur empfehlen, der wissen will was der menschliche Körper in der Lage ist zu leisten. Außerdem ist es für jeden interessant der mal erleben möchte was nach Kilometer 42 noch so kommt. Man muss ja nicht die volle Distanz machen, die 50km sind auch ein guter Anfang.

Ich hoffe, dass 2013 Helga wieder teilnehmen kann, dieses Jahr musste sie pausieren: Man sollte nur antreten wenn man absolut fit ist. Ich habe mir vorgenommen wieder mehr zu trainieren und mehr Langstrecken einzubauen – als Kontrast zum täglichen Büro-Alltag mit dem Stress da der mit dranhängt.

C.U., Kai
 
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